Felix Mendelssohn Bartholdy: Elias op.70

Sonderkonzert

Sonntag, 17. Mai 09, 19 Uhr

Yeree Suh, Sopran (Witwe) / Ruth Sandhoff, Alt (Königin) / Andreas Weller, Tenor (Obadjah, Ahab) / Krzysztof Borysiewicz, Bass (Elias)

Nürtinger Kantorei / Sinfonia02

Leitung: Angelika Rau-Čulo

 

Anlässlich des 200. Geburtstags von Felix Mendelssohn Bartholdy, dem großen deutschen Komponisten der Romantik, erklang das bekannte Oratorium über die biblische Geschichte des Propheten Elias. Nachdem der Stoff Mendelssohn zehn Jahre beschäftigt hatte, wurde das Werk am 26. August 1846 in Birmingham uraufgeführt und wurde vom zeitgenössischen Publikum begeistert aufgenommen.

Elias brach aus der Aufführung hervor wie ein Feuer

Im Mendelssohn-Gedenkjahr hat sich die Nürtinger Kantorei dessen Oratorium „Elias“ angenommen – Konzert in der Stadtkirche war gut besucht

 

VON AXEL GRAU

 

NÜRTINGEN. Als am Sonntagabend die letzten Töne des Schlusschores des Mendelssohn’schen „Elias“ verklungen waren, konnten die gebannten Zuhörer in der gut gefüllten Stadtkirche St. Laurentius nicht mehr an sich halten und brachten ihre Begeisterung mit lang anhaltendem Beifall zum Ausdruck. Dieser galt vor allem den beiden dramatischen Hauptakteuren des Abends: dem Chor und seiner Dirigentin. Was die Nürtinger Kantorei unter der Leitung von Bezirkskantorin Angelika Rau-Čulo an diesem Abend zu Gehör brachte, war gleichermaßen bewegend und mitreißend und stellte einen weiteren Meilenstein in der Entwicklung des Chorensembles dar.

 

Es war ein Genuss wieder einmal zu beobachten, wie die Sängerinnen und Sänger zunehmend selbstbewusst einen eigenen, charakteristischen Klang entwickeln und auf stetig steigendem Niveau differenziert und ausdrucksstark musizieren. Es ist darüber hinaus bezeichnend für die Qualität eines Chores, wenn kleinere Solopartien aus den eigenen Reihen besetzt werden können, und wenn sie sich, wie am Sonntag zu hören war, nahezu nahtlos unter die Stimmen der vokalen Hauptakteure mischen. Auf diese Weise wurden die A-cappella-Stellen der Engel und das Doppelquartett „Denn er hat seinen Engeln“ zu besonders intensiven Momenten der Aufführung.

 

Was einen an diesem Abend besonders verblüffte, war, dass man Mendelssohn so ganz anders als sonst hören durfte. Viele Dirigenten erliegen der Versuchung, die Sentimentalismen der Partitur besonders herauszustreichen, um an anderer Stelle das Blech umso mächtiger auftrumpfen zu lassen. Dem entsprach so ganz und gar nicht das klug austarierte Klangkonzept der Dirigentin, die so manches bisher nicht wahrgenommene Detail hörbar machte: Rhythmisch zupackend und energiegeladen traf sie für jede Stelle das richtige Maß und riskierte, wenn nötig, auch dynamische Extreme. Selten hörte man die innigen Stellen so unpathetisch zurückgenommen, um sich an anderer Stelle bewusst zu werden, dass sich ausgerechnet Richard Wagner für seinen „Holländer“ so manche donnernde Stelle aus dem „Elias“ zum (wahrscheinlich unbewussten) Vorbild genommen hatte. Eine bewundernswerte, fulminante Leistung!

 

Auch das Orchester ließ kaum Wünsche offen und ließ sich mit transparentem und präzisem Spiel über weite Strecken auf das musikalische Konzept des Abends ein. Die Solistenriege war von erlesener Stimmqualität: Der polnische Bassist Krystof Borysiewicz debütierte mit scheinbar mühelosen, mächtig orgelnden Tönen als Elias. Man darf auf die künftige Entwicklung des Sängers in dieser anspruchsvollen Partie gespannt sein, wenn auch die Gebrochenheit und Melancholie des Propheten mehr zum Ausdruck kommen wird. Yeree Suh (Sopran) und Ruth Sandhoff (Alt) überzeugten mit sängerischer Präsenz und enormer stimmlicher Wandlungsfähigkeit. Die berührendsten und bannendsten solistischen Momente gelangen dem Tenor Andreas Weller, der seine Rolle fast kammermusikalisch subtil und dennoch suggestiv in der Diktion gestaltete.

 

Zusammen mit dem Chor, der sich im Laufe des Oratoriums in seiner Ausdruckskraft sogar noch steigern konnte, wurden die das Werk abschließenden Hoffnungsvisionen auf das Kommen des Gottessohnes zu einem ganz besonders eindrucksvollen Moment des Abends.

 

Die Zuhörer erlebten in der Stadtkirche eine großartige Aufführung, aus der Elias wie ein Feuer hervorbrach, und für die alle Ausführenden, aber ganz besonders der Chor und seine engagierte Leiterin, gebührend gefeiert wurden.

NTZ, 20.05.2009