Nürtinger Orgeltage - 1. Konzert

Das erste Konzert im Rahmen der Nürtinger Orgeltage fand am Sonntag, 11. Oktober 09 um 17 Uhr in der katholischen Kirche St. Johannes statt. Zu Gast an der Albiez-Orgel war Frédéric Blanc aus Paris, ein international bekannter Künstler, der mit einem feurigen und vielfältigen Programm die Facetten der Albiez-Orgel zum Klingen brachte.

Vom barocken England ins moderne Frankreich

Frédéric Blanc begeisterte das Publikum bei den Orgeltagen

 

NÜRTINGEN (pm). Nach dem grandiosen Auftakt der Nürtinger Orgeltage durch den Tag der Stadtkirchenorgel ging es beim ersten Konzert in der Pfarrkirche St. Johannes kürzlich nicht minder gelungen weiter. Die Organisatoren der ökumenischen Konzertreihe konnten den international renommierten Pariser Organisten und Titulaire an Notre-Dame D’Auteuil, Frédéric Blanc, gewinnen. Er nahm die 150 Zuhörer mit auf eine Europareise zu den wichtigen Orgelmusikzentren.

 

Ausgangspunkt war das barocke England mit dem deutschstämmigen Georg Friedrich Händel. Blanc spielte dessen Orgelkonzert in B-Dur op. 42. Nach einer festlichen Introduktion mit punktierten Rhythmen folgte ein schneller Satz, den Blanc mit Witz und Spielfreude interpretierte. Darauf folgte ein langsamer, melancholischer Satz für die leiseren Stimmen der Orgel und ein galanter Schlusssatz mit höfisch-menuettartigem Gepräge.

 

Die zweite Station der Reise war Deutschland mit Bearbeitungen von Choralsätzen Bachs aus seinen Kantaten: „Ertöt uns durch dein Güte“ aus der Kantate „Jesus nahm zu sich die Zwölfe“ und „Wachet auf, ruft uns die Stimme“ aus der gleichnamigen Kantate. Die kam allerdings nicht in der bekannten Bearbeitung des Komponisten daher, sondern mit der Handschrift des französischen Organisten und Komponisten Maurice Duruflé, deren zusätzliche Verwendung von Begleitstimmen sehr reizvoll klingt, wohl aber einen anfänglichen Registrierungsfehler bedingte.

 

Musikalische Reise quer durch Europa

 

Weiter ging es nach Spanien zu den, nach dem Land benannten, Trompeten, die Frédéric Blanc in der Battaglia von Carlos Seixas schmettern ließ. Die drei Sonaten von Domenico Scarlatti, italienischer Komponist und Cembalist am spanischen Hof, zeigten dann die leiseren, weicheren Klangfarben der Albiez-Orgel. Eigentlich zum Teil sehr virtuose Musik für das Cembalo. Die sich aber, wie Blanc hervorragend zeigte, wunderbar für die Orgel eignet.

 

Aus seinem Heimatland spielte Blanc Stücke zweier Vertreter des 20. Jahrhunderts. In Jean Langlais „Nazard“ zeichnete der Maitre eine lang gezogene Kantilene der Solostimme über der zurückhaltenden Begleitung der linken Hand. Ähnlich verhielt es sich mit der Aria von Jean-Jacques Grunewald, eines zu Unrecht in Deutschland selten gespielten Komponisten. Die dazugehörige „Introduction“ entfaltete eine expressive und spannungsreiche Harmonik, die den Hörer gebannt lauschend zur Aria hinüberzog.

 

Am Ende machte die Reise einen neuerlichen Zwischenstopp im jetzt romantischen England: mit einem der royal anmutenden Märsche aus „Pomp and Circumstances“. Zum Abschluss improvisierte Frédéric Blanc über den gregorianischen Hymnus „Ave maris stella – Meerstern, sei gegrüßt“, über den er zunächst präludierte, um nach den klassischen und spielerisch höchst anspruchsvollen Formen der Fuge und des Trio am Ende zu einer rauschenden Toccata zu gelangen, die dem Titel mehr als gerecht wurde.

 

Hier zeigte er wiederholt und auf kleinstem Raum die Vielfältigkeit seines musikalischen und technischen Könnens: subtile Gestaltung und virtuose Passagen reichten einander die Hand zu einem meisterhaften Großen und Ganzen.

 

Das überwältigte Publikum dankte mit lang anhaltendem Applaus und stehenden Ovationen und wurde dafür mit einer Zugabe – einem „Trumpet Tune“ – belohnt.

NTZ, 20.10.2009

Nürtinger Orgeltage - 2. Konzert

Das zweite Konzert im Rahmen der Nürtinger Orgeltage findet am Sonntag, 18. Oktober 09 um 17 Uhr in der katholischen Kirche St. Johannes statt. Der Prager Konzertorganist Pavel Kohout mit Werken von Bach, Beethoven, Nowowiejski, Debussy, Franck und Dupré an der Albiez-Orgel zu hören. Kohout studierte am Prager Konservatorium und erwarb 1996 als Schüler von Jan Kalfus das Solistendiplom für Orgel mit Auszeichnung. Im Jahr 2002 schloss der sein Magisterstudium im Konzertfach Orgel, Improvisation und Pädagogik an der Hochschule für Musik in Prag ab. Als Preisträger verschiedener internationaler Orgelwettbewerbe hat er sich als Konzertorganist einen Namen gemacht. Zahlreiche Engagements führten ihn als Solist bereits in fast alle Länder Europas. Derzeit nimmt er seine erste CD an der berühmten historischen Mundt-Orgel in der Teynkirche in Prag auf.

Temperament und Feingefühl

Pavel Kohout an der Albiez Orgel eke

Pavel Kohout spielte im Rahmen der Nürtinger Orgeltage in der Kirche St. Johannes

 

VON HELMUTH KERN

 

NÜRTINGEN. Das zweite Konzert im Rahmen der Nürtinger Orgeltage war in seinem gut einstündigen Programm von großer Dichte und Ausdruckskraft geprägt. Fast die Hälfte war Johann Sebastian Bach gewidmet. Stimmig spannte sich der Bogen von der Bach’schen Musikwelt bis hin zu den von der französischen Romantik beeinflussten Klangvorstellungen Marcel Duprés.

 

Bach und Dupré waren in ihrer Zeit auch bekannte, versierte Orgelspieler und Orgelkenner, die dieses Instrument wirklich als Königin der Instrumente verstanden. Pavel Kohout, Jahrgang 1976, ist einer der führenden tschechischen und internationalen Konzertorganisten der jüngeren Generation.

 

Über welche spieltechnischen und interpretatorischen Fähigkeiten er verfügt, zeigte sich in seiner bewundernswerten Manual- und Pedaltechnik, die die hohen Anforderungen, welche Duprés Präludium und Fuge g-Moll op. 7.3 aus dem Jahr 1912 an den Ausführenden stellt, nie hörbar werden ließ. Er trug dieses Werk mit seinem schnellen Tempo, seinen reichen Figurationen in Manual und Pedal in perlender Leichtigkeit vor und entfaltete es zu einer strahlenden Gestalt, die gleichsam das Pendant zu Johann Sebastian Bachs Passacaglia und Fuge bildete. Spannungsgeladen und in majestätischer Größe hatte Kohout sie an den Anfang seines Programms gestellt.

 

Der Organist gab diesem bekannten, knapp vierzehn Minuten dauernden Werk mit seinen zwanzig Variationen eine eigene Interpretationsgestalt. Das getragene Zeitmaß bewirkte einen gleichsam aus- und einatmenden Bewegungsfluss über dem dominanten tragenden Ostinatomotiv. Kohout verstand es, farbenprächtig und plastisch diese im dunklen Moll gehaltene Passacaglia spannungsvoll zu entwickeln und die sich anschließende Fuge mit ihrem ausdrucksstark akzentuierten neapolitanischen Sextakkord mitreißend und im besten Sinne überwältigend zu gestalten. Bach hat ihn durch die folgende frappierende Generalpause noch gesteigert, ehe er das Ganze in der Coda in einem strahlenden C-Dur auflöst.

 

Zwischen diese Eckpfeiler der Orgelkunst stellte Pavel Kohout Werke von Beethoven, Feliks Nowowiejski, Claude Debussy und César Franck. In ihnen bot er feinsinnig registrierte Klangräume, die immer wieder durch ihre Differenzierungen in Tonstärke und Tonfärbung faszinierten. Den Auftakt zu diesem Teil des Programms bildete die breit angelegte Choralpartita BWV 767 von Johann Sebastian Bach, eine Folge von neun Variationen über den Choral „O Gott du frommer Gott“; der Organist spielte sie wohltuend sachlich, in gleichsam protestantischer Einfachheit. Leicht und luftig entwickelte er das „Allegro“ für Flötenuhr (WoO), wohl ein Auftragswerk, das Beethoven für diesen zeittypischen „Musikautomaten“ im Jahr 1799 geschrieben hat.

 

Es ist das dritte der fünf kleinen Stücke, die nicht ins Werkverzeichnis aufgenommen wurden. Mit dem Präludium zu einem Thema aus dem Kyrie des polnischen Organisten Feliks Nowowiejski gab Kohout einen Eindruck von dem durchaus der tonalen Tradition verbundenen kompositorischen Schaffen eines wichtigen Komponisten der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, ausdrucksstark auch hier Klangfarbigkeit und Vortrag.

 

In Kohouts Orgelbearbeitung der ersten Arabeske von Claude Debussy, die der junge Künstler zwischen 1888 und 1891 für Klavier komponiert hatte, wurde in der Tat Leichtigkeit und impressionistische Atmosphäre hörbar. Wie überlegt die Reihenfolge der Werke zusammengestellt war, wurde am folgenden Stück von César Franck deutlich – auch er ein bedeutender Organist und Komponist französischer Provenienz in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts – das sich gedanklich und auch vom Zeitgeist her nahtlos anschloss.

 

Prélude, Fugue et Variation, op. 18, ist eine Komposition in h-Moll für Orgel; Franck hat sie seinem Freund Camille Saint-Saëns gewidmet. Komponiert wurde das Werk wohl 1862, dessen polyphone Faktur arbeitete Pavel Kohout luzide heraus. Stimmig, gleichsam komponiert, wirkte das Glockengeläut der St.-Johannes-Kirche nach dem Verklingen der Fuge, ehe die Variation mit ihren perlenden Läufen über dem Thema sich in fließender Bewegung zu einem lebendigen Klangbild verdichtete und Kohout mit Marcel Dupré einen fulminanten Schlusspunkt unter ein eindrucksvolles Konzert setzte.

 

Die gut 150 Zuhörer bedankten sich mit begeistertem Beifall beim Interpreten. Er wiederum spielte als Zugabe einen Tango („über den 303. Psalm“) des zeitgenössischen schwedischen Komponisten und Kirchenmusikers Fredrik Sixten.

NTZ, 21.10.2009

Nürtinger Orgelnacht

Am Samstag, 24. Oktober 09 fand ab 20 Uhr die traditionelle Orgelnacht als Abschluss der V. Nürtinger Orgeltage 09 in der katholischen Kirche St. Johannes statt. Das erste Konzert trug den Titel „Präludium & Fuge“ und wurde von Bezirkskantorin Angelika Rau-Čulo gestaltet. Den Rahmen bildeten Bachs Präludien und Fugen in c-Moll und G-Dur, darin eingebettet wurden die beiden Präludien und Fugen in c-Moll und G-Dur von Felix Mendelssohn Bartholdy. Damit erklangen vier große Werke der Orgelmusik, die in ihrem Ausdruck ganz unterschiedlich sind und doch durch die tonartliche Bindung bestens zueinander passen. Nach einer kurzen Pause schloss sich daran um 21 Uhr das Konzert „Happy Anniversary“ von Bezirkskantor Michael Čulo an. Mit seinem Programm gratulierte er den Musikerjubilaren Purcell (350. Geburtstag), Händel (250. Todestag), Paumann (550. Geburtstag), Litaize (100. Geburtstag) und Mendelssohn (200. Geburtstag). Das Abschlusskonzert um 22 Uhr mit dem Titel „von d-Moll nach D-Dur“ und Werken von Bach, Mendelssohn, Gardony und Vierne wurde von Kantor Andreas P. Merkelbach gestaltet.

 

Nach den jeweiligen Konzerten konnten sich die ZuhörerInnen in den Pausen mit Häppchen und einem Gläschen Sekt stärken.