„Was bleibet aber, stiften die Dichter“

Hommage an Friedrich Hölderlin

Freitag, 10. Juni, 20 Uhr

 

Lesung, Rezitation, Musik

Peter Härtling, Schriftsteller

Peter Lohmeyer, Schauspieler

Amanda Chominsky, Flöte

Michael Čulo, Cembalo und Orgel

 

Am Freitag, 10. Juni 2011 luden die Musik an der Stadtkirche und der Verein Hölderlin-Nürtingen e.V. um 20 Uhr zu einer gemeinsamen Veranstaltung als Hommage an Friedrich Hölderlin unter dem Motto „Was bleibet aber, stiften die Dichter“, der letzten und berühmten Zeile aus seinem wunderbarem Gedicht Andenken, in die Stadtkirche St. Laurentius Nürtingen ein. Peter Härtling las aus seinem Roman Hölderlin, und Peter Lohmeyer rezitierte aus dessen Briefen und Gedichten. In dieser Wechselwirkung zwischen Fiktion und Original entstand ein Spannungsbogen, der gefüllt wurde mit Musik aus der Zeit des Dichters. Amanda Chominsky (Flöte) und Michael Čulo (Cembalo und Orgel) musizierten Werke von Wolfgang Amadeus Mozart und anderen.

„Jeder sei, wie er wirklich ist“

Peter Härtling und Peter Lohmeyer nehmen das Publikum mit in die Welt des Dichters Friedrich Hölderlin. Fotos: Jüptner

Hölderlin-Abend mit Peter Härtling und Peter Lohmeyer verzauberte das Publikum

 

VON SYLVIA GIERLICHS

 

NÜRTINGEN. Kann man in einer Kirche „Zugabe“ rufen? Bei einer Lesung von Hölderlin-Gedichten? So recht schien das Publikum sich nicht zu trauen, doch der Applaus wollte kein Ende nehmen, kaum hatte Peter Lohmeyer die letzte Zeile von Hölderlins Gedicht „Andenken“ gelesen.

 

„Was bleibet aber stiften die Dichter“ – diese letzte Zeile war auch das Motto der Lesung, die am Freitagabend in der Nürtinger Stadtkirche St. Laurentius stattfand. Den Dichter als Mensch, als Nürtinger Bürger, so sollte das Publikum den großen Sohn der Stadt erleben, die Furcht ablegen vor seiner schönen, fremden Sprache, die der heutigen so fern ist. Und dies gelang dem Schriftsteller Peter Härtling und dem Schauspieler Peter Lohmeyer in ganz wunderbarer Weise.

 

So nimmt Peter Härtling die rund 350 Zuhörer mit seiner sonoren, warmen Stimme mit in Hölderlins Jugendzeit, ins Nürtingen des ausgehenden 18. Jahrhunderts; mit in die Stadtkirche, in der Hölderlin konfirmiert wurde, in der viele Nürtinger konfirmiert wurden. Und in der das Publikum andächtig lauscht, als Härtling aus seinem bereits 1976 erschienenen Roman „Hölderlin“ liest. Sind auch die Dialoge fiktiv, die der Schriftsteller dem Dichter und seinen Freunden in den Mund legt, so entsteht aus ihnen doch ein Abbild von Hölderlin, dem Menschen in seiner Zeit.

 

Ein Abbild von Hölderlin, dem Menschen, geben auch seine Briefe. An die Schwester Rike, der er schreibt: „Und sieh! liebe Rike! hätt’ ich ein Reich zu errichten... wäre das eines meiner ersten Gesetze – Jeder sei, wie er wirklich ist ...“. Peter Lohmeyer, vielen noch in guter Erinnerung als Richard Lubanski in dem Film „Das Wunder von Bern“, zeigt an diesem Abend eine andere Seite seines schauspielerischen Könnens, gibt Friedrich Hölderlin seine Stimme, liest dessen Briefe, an Rike, an Neuffer, an Schiller und den Freund Böhlendorf. Schnörkellos, klar, ohne Pathos. So kommt diese schöne Sprache Hölderlins zur Geltung, in den Briefen, wie in der Lyrik.

 

Scheinbar mühelos findet sich Lohmeyer hinein in die Melodie der Hölderlinschen Dichtung. Ist „An eine Rose“ noch ein hübscher Reim, wie gemacht für ein Poesiealbum, so reflektiert das Gedicht „Da ich ein Knabe war“ die Nähe zur Natur in seiner Jugendzeit und nimmt damit ein Thema auf, das Hölderlins Dichtung bestimmen wird. Vergangenheit und Zukunft. Ein Sehnen danach ist ein Leitmotiv in Hölderlins Dichtung. Und diese Sehnsucht vermittelt Lohmeyer, wenn er mal schneller über die Zeilen huscht, dann wieder die Silben einzelner Worte dehnt und so die Intensität der Sprache Hölderlins verdeutlicht.

 

Bezüge zu Nürtingen finden sich in vielen Gedichten Hölderlins

 

Hand in Hand gehen Härtling und Lohmeyer im ersten Teil der Veranstaltung durch Hölderlins Leben. Die Textstellen aus Härtlings Roman und die ausgewählten Briefe und Gedichte fügen sich zu einem runden Bild zusammen. Auch im zweiten Teil des Abends, den Lohmeyer alleine bestreitet. Und immer wieder, ob in Briefen, oder Gedichten finden sich Bezüge zu Nürtingen. So im Gedicht „Heimath“ in dem er von der Heimkunft in die schönen Tale des Neckars schreibt, von der Stimme der Stadt, der Mutter, im „Winkel von Hahrdt“ oder „In lieblicher Bläue“, mit der der Nürtinger Kirchturm gemeint ist. Wie viele Werke des Dichters in Nürtingen entstanden sind, wie häufig er in die Stadt zurückkommt, offenbart die Auswahl der Gedichte und Briefe, die Ingrid Dolde, Vorsitzende des Vereins Hölderlin-Nürtingen, gemacht hat.

 

Zwischen den Rezitationen wurden die Zuhörer verzaubert von den Darbietungen der Querflötistin Amanda Chominsky und Michael Čulo an Cembalo und Orgel. Die Musikstücke von Hölderlins Zeitgenossen Johann Rudolf Zumsteeg, Mozart, Rink, aber auch modernere Komponisten wie Debussy oder Bernd Alois Zimmermann fügten sich in die Gesamtkomposition des Abends nicht nur ein, sie waren ein veritabler, unverzichtbarer Teil der Lesung.

 

„Was bleibet aber, stiften die Dichter“, mit dieser letzten Zeile des Gedichts „Andenken“ endete die Lesung – der Beifall indes wollte kein Ende nehmen. Und Peter Lohmeyer erfüllt dem Publikum mit dem Gedicht „Das fröhliche Leben“ den unausgesprochenen Wunsch nach einer Zugabe.

NTZ, 14.06.2011