Orgelmusik zum Markt I

Louis Marchand

Samstag, 07.07.2012, 11 Uhr

Michael Čulo, Orgel

 

Werke von Louis Marchand u. a.

"Halleluja"

Die Musik an der Stadtkirche hat das Jahr 2012 unter das Motto „König David“ gestellt – David, ein bedeutender biblischer Stoff, der zahlreiche Dichter und Komponisten zu Dramen, Romanen, Oratorien und Opern angeregt hat. Ein erster Höhepunkt in diesem „David-Jahr“ war die Aufführung von Arthur Honegger’s Oratorium „König David“ am Sonntag, 8. Juli 2012 um 19 Uhr in der Stadtkirche St. Laurentius.

Das Werk gehört zweifelsohne zu den populärsten Werken des 20. Jahrhunderts. Die Wechselwirkungen zwischen dem Komponisten und seinem Werk auf der einen und dem Publikum auf der anderen Seite haben Honegger zeitlebens intensiv beschäftigt. In den meisten Werken, denen die David-Geschichte zugrunde liegt, erscheint David als der erfolgreiche, weise und überlegene König, als eine Figur also, die im Gegensatz zu seinem Gegenspieler König Saul weitgehend von tragischen Momenten frei ist. Allzu menschliche Züge seines Charakters werden in den meisten David-Oratorien abgemildert oder weggelassen. In Honegger’s Oratorium beschränken sich Dichter und Komponist auf die Darstellung des einsichtigen, büßenden Königs, um das insgesamt Erbauliche, Erhaben-Ernste der Zeichnung seiner Person nicht zu zerstören. Von der Musik erwartet der Zuhörer vor allem an den Stellen der Handlung, die man als große, erhabene Momente, als Höhepunkte in Davids Leben bezeichnen kann, entsprechende Proportionen, nämlich Monumentalität. Vergleicht man die beiden Hauptnummern dieses Oratoriums mit anderen bedeutenden Oratorien, so stellt man hinsichtlich der Struktur eine auffallende Verwandtschaft mit dem Stil Händels, Haydns und Bachs fest. Honegger selbst schreibt dazu: „Ich lege großes Gewicht auf die musikalische Architektur, die ich niemals aus Gründen literarischer oder malerischer Natur geopfert sehen möchte. […] Mein großes Vorbild ist Johann Sebastian Bach.“

 

In der Nürtinger Aufführung der Originalfassung in deutscher Sprache wurden die einzelnen Teile des Oratoriums gegliedert durch die Sonate e-Moll op. 90 von Ludwig van Beethoven, gespielt von der jungen, international renommierten Pianistin Diana Brekalo. Die Nürtinger Kantorei und der Nürtinger Jugendchor musizierten zusammen mit dem Orchester „sinfonia 02“, dem bekannten Stuttgarter SWR-Sprecher Rudolf Guckelsberger, der Ersten Sopranistin der Neuen Vocalsolisten Sarah Maria Sun, der Mezzosopranistin Ursula Eittinger und dem international gefragten Tenor Andreas Weller. Die Leitung hatte Angelika Rau-Čulo.

Ein großes Halleluja zum Abschluss

Großer Applaus für Solisten, Chor und Instrumentalisten in der Stadtkirche. Foto: Erika Kern

Musikalischer Höhepunkt des Bezirkskirchentags war die Aufführung von König David in der Nürtinger Stadtkirche St. Laurentius

 

VON HELMUTH KERN

 

NÜRTINGEN. Die eindrückliche Aufführung des „Le Roi David“ von Arthur Honegger in deutscher Fassung in der Stadtkirche St. Laurentius setzte einen begeisternden Schlusspunkt hinter den diesjährigen Bezirkskirchentag in Nürtingen. Unter dem dynamischen und zielführenden Dirigat von Angelika Rau-Čulo wurde das Oratorium in seinem ganzheitlichen, aus dem Geist des Expressionismus lebenden Charakter, in der Musik und Sprache zu einer wirkmächtigen Einheit verbunden wird, hörbar.

 

Der Chor aus Nürtinger Kantorei und Nürtinger Jugendchor, das Orchester sinfonia 02, Solisten und Sprecher gestalteten das Werk mit großer Musikalität, Spielfreude und Intensität. Sie arbeiteten die Intention in vielfältigen Spannungsbögen mit ihren tonmalerischen und effektvollen Qualitäten überzeugend heraus. Die Musik hatte Honegger für das Volkstheater „Théâtre du Jorat“ in Mézières, nahe bei Lausanne, geschrieben. Charakteristisch für das seit 1908 bestehende Theater war, dass in den sommerlichen Aufführungen die Bevölkerung mitwirkte. Seit Beginn des Ersten Weltkriegs geschlossen, sollte es 1921 wieder eröffnet werden.

 

Zu diesem Anlass schrieb der Leiter des Theaters, René Morax, das Drama „Le Roi David“. Thema ist Davids Aufstieg vom Hirten zum König und Propheten. Morax wollte ein Drama, dessen Stoff Allgemeingültigkeit hat und dessen Botschaft sich an alle Menschen ohne Unterschied der Nationalität oder Religion richten sollte. Auf Empfehlung von Ernest Ansermet, Dirigent des Orchestre de la Suisse Romande, und von Igor Strawinsky fand man in dem in Paris lebenden Schweizer Arthur Honegger den geeigneten Komponisten für die Bühnenmusik. Das Auftragswerk schrieb Honegger in kurzer Zeit im Frühjahr 1921; bereits am 11. Juni 1921 fand die Uraufführung im „Théâtre du Jorat“ statt. Die vorgegebene kleine Besetzung war für Honegger Einschränkung und Herausforderung zugleich, denn er hatte zwei Flöten, Oboe, zwei Klarinetten, Horn, Fagott, zwei Trompeten, Posaune, Kontrabass, Klavier, Harmonium, Celesta, Schlagzeug und einen großen Laienchor, dazu drei Gesangssolisten zur Verfügung. Ratsuchend wandte er sich an Igor Strawinsky, der soll ihm gesagt haben: „Das ist sehr einfach. Machen Sie es so, als wenn Sie diese Zusammensetzung gewollt hätten, und komponieren Sie für hundert Sänger und 17 Musiker.“

 

Nach dem Erfolg des Bühnendramas bildet Honegger „König David“ zu einem Oratorium um, das im Konzertsaal aufgeführt werden konnte. Die dramatische Handlung findet sich nun in der tragenden Rolle des Erzählers. Auf seinen Schilderungen gründet die Musik für Chor, Orchester und Solisten und leuchtet sie in ihrem Bedeutungsgehalt aus. In meist kurzen Einzelnummern entwickelt Honegger einen spannungsvollen Bogen: Festes- und Siegesfreude, Klage, Zuversicht und die Hoffnung auf eine neue Zeit; sie werden zu einem stimmungsreichen und empfindungstiefen, vielfarbigen Klanggemälde, in dem Stilelemente mittelalterlicher, barocker, romantischer, orientalischer und moderner Musiksprache ganz im Sinne der szenischen Bedeutung eingebunden sind.

 

In drei Teilen wird die alttestamentliche Gestalt des Königs David in Szene gesetzt: David als Hirte, Hauptmann und Heerführer, dann im Siegesfest über die Philister und zum Schluss der greise David am Ende seines Lebens, der König und Prophet. Einer Schlussapotheose gleich am Ende ein mitreißendes und begeisterndes Halleluja (Lobpreis Gottes), das Engel und Chor, sich gegenseitig überlagernd zusingen, „erblühend“ aus den beiden Bachchoralmelodien „Wie schön leuchtet der Morgenstern“ und „Wachet auf, ruft uns die Stimme“. Sinnstiftend war die Konzeption der beiden Bezirkskantoren Angelika Rau-Čulo und Michael Čulo, die drei Teile durch die zweisätzige Klaviersonate e-Moll op. 90 (1814) von Ludwig von Beethoven, gleichsam als retardierendes Element, zu unterbrechen; denn es ließ in diesem Kontext eine Wesensverwandtschaft im Kontrastreichtum von Expressivität und Lyrik aufscheinen. Spieltechnisch hervorragend und in sensibler Interpretation gestaltete Diana Brekalo diesen Part auf dem Flügel.

 

Die Wahl der renommierten Solisten war äußert gelungen. Sarah Maria Sun mit ihrem volumenreichen, höhensicheren vollen Sopran, der auch beim Tutti von Chor und Orchester Bestand hatte, Ursula Eittinger mit ihrem farbenreichen Mezzosopran, sie gestaltete auch in der Beschwörung der Hexe von Endor dieses Melodram in großer Eindringlichkeit, Andreas Weller mit seinem geschmeidigen Tenor waren ideale Besetzungen. Rudolf Guckelsberger zeigte das reiche Repertoire, über das er als Sprechkünstler verfügt. Mit baritonalem Register gestaltete er die Texte in Rhythmus und Sprachmelodie und verwandelte sie dem musikalischen Geschehen kongenial an. Sensibel undifferenziert, in lucidem Klang musizierte die sinfonia 02 ihren Part: Christine Matejcek, Maren Dreher (Flöte); Andreas Vogel (Oboe, Englischhorn); Martin Vogel, Matthias Ritter (Klarinette); Jürgen Fenner (Fagott); Sebastian Zech, Gabor Szabo (Trompete); Cuan Ó Seireadáin (Horn); Christof Schmidt (Posaune); Jochen Heibertshausen (Kontrabass); Klaus Dreher (Pauke, Schlagzeug), Can Ünlüsoy (Schlagzeug); Felix Mende (Celesta) und Michael Čulo (Harmonium). Höchst begeistert bedankten sich die Zuhörer mit nicht enden wollendem Beifall für dieses hervorragende Konzert zum Abschluss des Bezirkskirchentags. Dessen Motto „Vergiss das Leben nicht“ ist in dieser Aufführung überzeugend zu Musik geworden.

NTZ, 10.07.2012

Orgelmusik zum Markt II

César Franck

Samstag, 14.07.2012, 11 Uhr

Angelika Rau-Čulo, Orgel

 

César Franck: Choral Nr. 3 a-Moll

Orgelmusik zum Markt III

Louis-Nicolas Clérambault

Samstag, 21.07.2012, 11 Uhr

Michael Čulo, Orgel

 

Louis-Nicolas Clérambault: Suite de 2me ton

Orgelmusik zum Markt IV

Eugène Gigout

Samstag, 28.07.2012, 11 Uhr

Angelika Rau-Čulo, Orgel

 

Louis Lefébure-Wely: Sortie Es-Dur, Andante F-Dur

Eugène Gigout: Toccata h-Moll