The Lord is my shepherd

Die Reihe der Knabenchor-Konzerte im Rahmen der „Stunde der Kirchenmusik“ in der Stadtkirche St. Laurentius wurde am Samstag, 23. Juni 2012 um 18 Uhr mit de Knabenchor collegium uvenum Stuttgart (CIS) fortgesetzt. Der Knabenchor CIS wurde 1989 gegründet und besteht aus rund 160 Knaben und jungen Männer, die regelmäßig unter der Leitung von Friedemann Keck in Gottesdiensten und Konzerten auftreten. Regelmäßige Konzertreisen ins Ausland und Auftritte zusammen mit anderen Ensembles und Dirigenten sowie CD-Aufnahmen mit dem SWR u. a. gehören außerdem dazu. Das Konzert in Nürtingen trug den Titel „The Lord is my shepherd“ – neben Chorwerken aus verschiedenen Jahrhunderten waren auch Orgelstücke und solistisch gesungene Werke zu hören.

Der gute Klang der Psalmen

Collegium Iuvenum in der Stadtkirche Foto: Erika Kern

Der Knabenchor Collegium Iuvenum aus Stuttgart begeistert mit Psalmmotetten

 

VON HELMUTH KERN

 

NÜRTINGEN. Über 500 Besucherinnen und Besucher hatten sich zur Stunde der Kirchenmusik in der Stadtkirche Nürtingen eingefunden. Unter der Leitung von Friedemann Keck entfalteten sich in einem breit angelegten Programm geistlicher Chormusik die hervorragenden Stimmen des ökumenischen Knabenchors, der bewusst an die 800-jährige Tradition berühmter Knabenchöre anknüpfen will.

 

Bezirkskantor Michael Čulo, beim Collegium Iuvenum Chorleiterassistent, verwies eingangs darauf, dass die Auswahl der Werke verschiedene Epochen der Musikgeschichte hörbar machen solle. Aktueller Anlass sei auch der Bezug zu Ungarn mit László Halmos und Frigyes Hidas als zeitgenössische Komponisten und mit Antal Váradi an der Orgel, dem langjährigen Korrepetitor des Chors.

 

Inhaltlich geprägt war das Programm durch König David, die Leitfigur für die Musik an der Stadtkirche im Jahr 2012. Ihm werden zahlreiche Psalmen zugeschrieben; Psalm 23 „Der Herr ist mein Hirte“ gab dieser Stunde der Kirchenmusik den Titel. Viele Psalmvertonungen waren zu hören. Der Bogen spannte sich vom Frühbarock über Romantik bis zu zeitgenössischer Musik tonaler Prägung.

 

Ein buntes und eingängiges Programm wurde von den jungen und älteren Sängern mit vollem Klang entfaltet. Den Anfang bildete die doppelchörige Psalmmotette „Singet dem Herrn ein neues Lied“ von Johann Pachelbel.

 

Die kleine, 1625 entstandene Solokantate für Sopran „Cantabo Domino“ (Ich will dem Herrn singen mein Leben lang) von Alessandro Grandi gestaltete Matthias Rempp (geboren 2001 und seit fünf Jahren Chorist) mit seinem klaren, leuchtenden und höhensicheren Knabensporan, begleitet an der Truhenorgel von Antal Váradi. 1648, der 30-jährige Krieg war zu Ende, veröffentlichte Henrich Schütz seine geistliche Chormusik als exemplarische Lehrstücke für Kontrapunktik, gewidmet dem Rat der Stadt Leipzig und dessen Thomanerchor. Daraus sangen die Knaben die Motette für sechsstimmigen Chor „Die Himmel erzählen die Ehre Gottes“. Hier ist die prononcierte Aussprache besonders hervorzuheben, trägt sie doch bei Schütz wesentlich zum Sinnverständnis bei.

 

Mit Motetten von Otto Nicolai und Felix Mendelssohn Bartholdy wurde eine Klangwelt hörbar, die aus dem Geist der Romantik der barocken Motettentradition verbunden war. 1847, in seinem Todesjahr, schrieb Mendelssohn Bartholdy „Jauchzet dem Herren“. Durch ihre fließende klangvolle Vokaltechnik, ihren spannungsvollen Wechsel von Tempi, Tonarten und Gliederungseinheiten stellt sie hohe Anforderungen an die Sänger. Mit dem ausdrucksstark vorgetragenen „Jubilato Deo“ (Jauchzt Gott zu, alle Welt) von László Halmos schloss der erste Teil dieser Chormusik.

 

Auftakt des zweiten Teils war die Toccata für Orgelsolo des vor fünf Jahren verstorbenen Frigyes Hidas. Die spannungsvollen, immer wieder gebrochenen Melodiebögen und harmonikalen Strukturen setzte Antal Váradian an der registerreichen Goll-Orgel effektvoll und expressiv in Szene. Mit dem 1914 entstandenen „Laudate Dominum“ (Lobet den Herrn) von Camille Saint-Saëns stand der kürzeste, nur zwei Verse lange Psalm 117 auf dem Programm. Ihm folgte in der Vertonung von Charles Villers Stanford mit „Beatiquorum“ (Wohl denen, die ohne Tadel leben) der erste Vers von Psalm 119, dem längsten Psalm mit insgesamt 176 Versen. Eine Komposition, vermutlich 1892 entstanden, für sechsstimmigen Chor, in spätromantischer, immer wieder nach Auflösung drängender Linienführung, reich an Dynamik. 1964 vertonte der walisische Komponist William Mathias den 100. Psalm für Chor und Orgel. Rhythmisch differenziert und teils sprechgesangartig erklingt das Jauchzen und Frohlocken gleichsam in gebrochener Freudigkeit; es machte in der Interpretation des Collegium Iuvenum Zeitgeist hörbar. Mit zwei Werken des 1945 geborenen englischen Chorleiters und Komponisten John Rutter schloss das Programm.

 

In „The Lord is my shepherd“ (Der Herr ist mein Hirte) gestaltete Mirjam Kluftinger-Ernst, Oboe, ihren Part einfühlsam, klangfarbenintensiv und mit sattem Ton. Die Komposition gibt der Intention von Psalm 23 überzeugende Ausdruckskraft: Gott als der gute Hirte, der freundliche und schützende Gastgeber; Bilder des Vertrauens und des Schutzes werden hier mit musiksprachlichen Mitteln geschaffen. Was lag dann näher, als zum Abschluss zum dritten Mal Psalm 100 zu singen: Rutter lässt hier Jauchzen und Danken in jubelnder Höhe ausklingen. Starker, lang anhaltender Beifall belohnte die Leistung des Chores. Mit zwei Zugaben bedankte sich dieser. Die begeisterten jugendlichen Sänger, deren helle und strahlende Stimmen die Eigenart und Faszination von Knabenchören ausmachen, zeigten in dieser Stunde der Kirchenmusik die Wirkmächtigkeit der Musik im vollen Klang der Lob- und Dankpsalmen.

 

Dass auch leises, in der Lautstärke zurückgenommenes Loben und Danken Intensität hat, stand weniger im Fokus der Interpretationen. Nachzutragen ist noch: Vielfältig sind die Termine und Auftritte des Chors, Konzerte und Mitwirkung bei Gottesdiensten im In- und Ausland. Besonders hervorzuheben ist die ganzheitliche Intention der Chorarbeit: Es geht um Musik, aber auch um Persönlichkeitsbildung, um Werteerziehung durch und in der Ausübung von Musik und damit um eine wichtige gesellschaftspolitische Dimension.

NTZ, 28.06.2012